Sie hätten Mehl und könnten Brot backen, wenn sie denn auch Hefe hätten...

Wie kann man Hefe ersetzen, bzw. ohne Hefe trotzdem ein luftiges Brot backen kann?

Wie wäre es mit Sauerteig?
Dazu braucht es nichts weiter als Mehl, Wasser und allenfalls ein paar Tage Zeit! - So wird überall berichtet.
"Sauer" werde das von ganz alleine, durch die schon im Getreide vorhandenen Milchsäurebakterien und Hefepilze und so richtig was falsch machen, könne man da nicht.

Nun ich habe hier in Thailand etliche im Internet oder in Youtube-Kanälen vorgestellte Verfahren ausprobiert. Die Resultate waren alle ernüchternd. Der Teig hat entweder gar nicht reagiert, oder in Einzelfällen derart grosse Gasblasen geworfen, dass das fertige Brot eigentlich nur noch aus "Loch" bestand.
Es mag am Mehl liegen - Vollkornmehl ist hier nicht so einfach zu beschaffen und "normales" Mehl enthält offensichtlich zuwenig Mikroben - oder an der zu hohen oder zu niedrigen Temperatur. Jedenfalls brachten die vielen Versuche kein brauchbares Resultat.

Dazu ist zu sagen, dass es Hefepilze eher kühl mögen, Milchsäure- und Essigsäurebakterien eher warm (30° und mehr).
Das bedeutet, wenn man das Anstellgut hier in Thailand bei "Zimmertemperatur" ansetzt, wird das ganz schnell ziemlich sauer, das Brot geht aber nicht - oder kaum - auf.
Hält man das Anstellgut im Kühlschrank, dauert das zwar sehr viel länger, Tage oder Wochen, aber die Hefepilze (das Triebmittel im Brot) fühlen sich wohler. Man erreicht so ein milderes, weniger saures Anstellgut, der Teig geht aber später bei Zimmertemper viel besser auf.

Ich stiess dann in einem französischen YT-Kanal auf ein Video, in dem der Bäcker die erste "Vorflüssigkeit" aus Apfelstücken, Honig und Wasser, ein paar Tage gären liess. Es bildete sich eine Art "Cidre" - der berühmte französische Apfel-Schaumwein. Darin sind eine ganze Menge Hefepilze und Milchsäurebakterien! Erst dann fügte er dem "Cidre" Mehl dazu und zog daraus, nach und nach den Sauerteig.
Ich machte das nach und es gelang tatsächlich auf Anhieb.

Ich suchte derweil immer weiter und fand schlussendlich das Video von Herrn Röthlin, von der Bäcker und Kontitor Fachschule Richemond.

Auch wenn sie den schweizer Dialekt nicht verstehen, er zeigt Schritt für Schritt wie's geht!


Ich habe das nun schon mehrfach nachgemacht - es gelang noch immer!

Einen Apfel durch die feine Reibe schaben und das Geriebene etwas durch ein Sieb pressen, so dass nur noch der "Most" übrig bleibt. Ich gebe dann Mengenmässig etwa dasselbe Volumen in Mehl dazu. Das gibt einen sehr dünnflüssigen Teig, der meist schon am nächsten Tag die ersten Bläschen bildet...
Dazu gebe ich dann (nach 1 - 2 Tagen) höchstens ganz wenig Wasser und ca. 50 g Mehl und rühre kräftig um.
Ich nehme dann täglich etwas Teig aus meinem Marmeladeglas im Kühlschrank (entsorgen oder ins Giesswasser für Gartenpflanzen geben) und ersetze das wieder durch wenig Wasser und etwas Mehl. Nach kräftigem Umrühren bleibt so das Glas immer etwa ½-voll. Das wiederhole ich solange, bis sich der Teig in 3 Stunden volumenmässig verdoppelt. Den Deckel nicht fest zuschrauben! Das ist nach ca. einer oder zwei Wochen soweit. Man kann die Hefepilze auch mit ganz wenig Honig dabei etwas unterstützen. 

Den Teig halte ich immer relativ flüssig und achte darauf, dass die Temperatur höchstens mal 26 bis 30 Grad erreicht.
Bildet sich dabei zuviel "Wasser" über dem Teig, schütte ich das einfach ab. Bildet sich zuviel Gas (Volumen), einfach kräftig umrühren und/oder allenfalls etwas vom Anstellgut entsorgen.

Wenn sich das Glas nach drei Stunden ausserhalb des Kühlschranks von selbst gefüllt hat, ist der Teig reif zum Backen. Wenn ich (noch) nicht backen will, rühre ich einfach kräftig um und fahre wie oben beschrieben fort. Das nennt sich "Anstellgut". Das Anstellgut ist jahrelang haltbar, wenn man es täglich (oder alle 2 Tage) etwas auffrischt. Es ist ja säuerlich...


Zum Backen eines Brotes aus 500 g Mehl, verwende ich mindestens 4 Esslöffel dieses Anstellgutes, fülle das sogleich nach und mische die 4 Esslöffel des Anstellgutes im Topf der Rührmaschine mit 1 dl Wasser gut auf. Nun gebe ich 200 g Mehl dazu. Diesen "Vorteig" lasse ich am liebsten über Nacht zugedeckt in der Küche, oder wenn es zu kalt ist, im unbeheizten, aber beleuchteten Backofen, stehen. Die Beleuchtung im Backofen reicht für eine Temperatur von etwa 25 bis 30 Grad.

Am nächsten Tag lasse ich die Knetmaschine nochmals 150 - 200 ml Wasser, 300 g Mehl und einen gestrichenen Esslöffel Salz mit diesem Vorteig verkneten.
Damit dann der "Sauerteig" - erst jetzt nennt man das Gebilde so - genügend Zeit hat zu gehen, gebe ich ihm noch mindestens 1 oder 2 Stunden, bis er anfängt merklich aufzugehen. Das kann auch etwas länger dauern, denn das hängt sehr stark von der Menge der Mikroben im Teig und der Temperatur ab. So 27 bis 30 Grad sind ideal, damit sich die Bakterien und Hefepilze vermehren und auch kräftig "arbeiten"!

Dann knete ich den Sauerteig nur noch kurz, forme mein Brot, oder meine Brötchen und ab in den Ofen...
220 Grad, kleine Brötchen 25 Minuten, ein grösseres Brot 40 bis 45 Minuten.

Sauerteig-Brote riechen und schmecken phantastisch! Versuchen sie es mal. Sie brauchen bloss einen Apfel, etwas Mehl und ein sauberes Gurken- oder Marmeladenglas...

Kommentare